Die britische Schatzkanzlerin hat mit dem heute vorgestellten britischen Staathaushalt nicht nur die Schuldenregeln Großbritanniens etwas umdefiniert, sondern in Teilen auch das Wahlprogramm der Labour Partei flexibel interpretiert. Es mag durchaus sinnvoll sein, gewisse Staatsbeteiligungen und Ähnliches nicht mehr in die Schuldenregeln einzubeziehen, um Spielraum für notwendige Investitionen zu schaffen. Dass dies aber gerade zum jetzigen Zeitpunkt geschieht, wird nicht immer von allen Seiten begrüßt. Auch hatte die Labour Partei in ihrem Wahlprogramm versprochen, die Abgaben für die arbeitende Bevölkerung nicht zu erhöhen. Die nun angekündigte, durchaus signifikante Erhöhung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung ist aber durchaus eine Abgabe auf Arbeit, die unter Umständen auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und somit die Anzahl der Arbeitsplätze in Großbritannien negativ beeinflussen kann. Auch wird diese Mehrbelastung der Arbeitgeber möglicherweise den Spielraum für zukünftige Lohnerhöhungen reduzieren.
Die anderen angekündigten Maßnahmen, wie u.a. die Erhöhung der Steuersätze auf Wertzuwächse von Finanz- und anderen Anlagen, der Wegfall von Steuererleichterungen für einzelne Personengruppen sowie die Erhöhung des Mindestlohns, waren in Teilen bereits bekannt oder erwartet worden und es bleibt abzuwarten, ob diese einen signifikanten Effekt auf die zukünftige Wirtschaftsentwicklung haben.
Bei der kürzlichen Herbstumfrage der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer wünschten sich die Unternehmen von der britischen Regierung vorwiegend Maßnahmen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsumfeldes und verstärkte Investitionen in Zukunftsindustrien, Infrastruktur, Forschung und Bildung. Der Wunsch nach einer restriktiveren Haushaltspolitik war vergleichsweise gering. Deswegen mag man es laut Aussage von Dr. Ulrich Hoppe, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer, der britischen Finanzministerin „verzeihen“, dass sie einige der ursprünglichen Versprechen mit dem neuen Haushalt etwas großzügig interpretiert hat. Im Gegenzug erwarten aber viele, dass die vorgestellten und grundsätzlich vielversprechenden Strategien zur Erhöhung des Wirtschaftswachstums konsequent umgesetzt werden. Denn ohne ausreichendes Wirtschaftswachstum werden die von vielen als notwendig erachteten Reformvorhaben der Labour Regierung nicht vollständig zu finanzieren sein. Neben den Kosten für die hochpriorisierte Energietransformation, dem notwendigen Aus- und Umbau des Gesundheitswesens und der Verbesserung der Infrastruktur sind aber auch vermehrte Investitionen in Bildung nötig, denn viele Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel und können deswegen Gelegenheiten zur Erhöhung der Wertschöpfung nicht immer vollständig nutzen.
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Silke Schöling
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